Eine tiefe Beinvenenthrombose (TVT) ist ein vollständiger oder teilweiser Verschluss der tiefen Leitvenen (V. iliaca, V. femoralis profunda bzw. superficialis, V. poplitea, V. tibialis anterior, V. tibilialis posterior, V. fibularis) und/oder der Muskelvenen der Beine durch geronnenes Blut (Thrombus).
Welche Beschwerden macht eine tiefe Beinvenenthrombose?
Etwa die Hälfte der Patienten haben typische Beschwerden (Symptome) wie Schmerzen, Spannungsgefühl, Schwellung (Ödem), Blaufärbung (Zyanose), auffällige Venen und Erwärmung des Beines.
Die andere Hälfte hat uncharakteristische Beschwerden, die gering sein können! Also Vorsicht!
Wie erkennt man eine tiefe Beinvenenthrombose (Diagnose)?
Es gibt verschiedenen klinische Untersuchungszeichen (Homan, Payr, Meyer, Pratt, Sigg, etc.) – leider sind diese ungenau.
Der Ausschluss einer tiefen Beinvenenthrombose ist mittel Wells– Score (gewichtete Erfassung von Faktoren, die im Zusammenhang mit Thrombosen stehen) und D-Dimer-Bestimmung möglich. D-Dimere sind Produkte, die bei der Auflösung von Fibrin entstehen – sie entstehen bei der gegenteiligen Reaktion (Fibrinolyse) zur Gerinnung – ; man kann sich aber nicht uneingeschränkt auf den Test verlassen. Schwangerschaft, Entzündung, Trauma, Operation, Krebserkrankung, Blutung können den Test beeinflussen.
Kompressionssonographie und Farbduplexsonographische Untersuchung sind inzwischen der „Goldstandard“ zur Untersuchung einer tiefen Beinvenenthrombose.
Notwendig dazu sind hochauflösende Geräte, sorgfältige Untersuchung durch einen erfahrenen Diagnostiker. Ödeme, Hämatome, Schmerzen, Wunden, Narben, Übergewicht können die Untersuchung erschweren.
Die Darstellung der Beckenvenen ist erforderlich, wenn durch abgeschwächte oder aufgehobene Atemveränderungen im Ultraschall sich der Hinweis auf ein proximales (im Becken- oder Bauchbereich) bestehendes Hindernis (Tumor, Gefässveränderung) gibt.
Die Untersuchung ist Untersucher-abhängig.
Vorteil: durch die Untersuchung des Beines können andere Erkrankungen (Differentialdiagnosen) wie Zysten, Synovitiden, Blutungen, Muskelfaserrisse, Aneurysmata, Tumore, Kompartmentsyndrom erkannt werden.
Phlebographie
Die Phlebographie, früher Goldstandard, ist die Darstellung des Venensystems mit Kontrastmittel.
Vorteil: Darstellung kleines Gerinnsel, Beurteilung der Wadenmuskelvenen und eines Kollateralkreislaufes, Objektivität, Darstellung des gesamten Systems
Nachteil: Invasiv, Strahlenbelastung, Allergie, keine Differentialdiagnose
Daher wird dieses Verfahren heute meist nur noch bei unklarer Rezidivthrombose oder vor einem großen operativen Eingriff zur Wiederherstellung nach Venenthrombose eingesetzt.
Magnetresonanz (MRI) – Computertomographie (CT) – Gefässdarstellung
Vorteil: Darstellung der V. cava, Becken- und der Lungenstrombahn, Darstellung von Raumforderungen in der Nachbarschaft der Gefäße
Nachteil: hoher Aufwand, Strahlenbelastung beim CT
Wie entsteht eine Beinvenenthrombose?
Neben längerem Liegen, Flugreisen, Unbeweglichkeit, Hormongabe, Krampfadern, Operationen und deren Folgen können Veränderungen in der Blutgerinnung und dem Gegenspieler Fibrinolyse sowie Venenanomalien und Tumore Venenthrombosen verursachen.
Erbliche (hereditäre) und erworbene Thrombophilien (Gerinnungstörung), die das Risiko zum Auftreten von Venenthrombosen erhöhen, sind bis auf Ausnahmen nicht entscheiden für die Zweitthrombosenentstehung (Rezidiv).
Ausnahmen sind das Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom sowie seltene familiäre (erbliche) Veränderungen bei den Gerinnungshemmern Antithrombin, Protein-C, und Protein-S.
Test auf Thrombophilie macht nur Sinn bei Häufung der Erkrankung in einer Familie sowie möglicherweise bei Frauen zur Abschätzung des Thromboserisikos bei Schwangerschaftsverhütung und Schwangerschaft, wenn deren Familienangehörige an einer Venenthrombose erkrankt waren.
Bei älteren Menschen mit unklarer Ursache einen Venenthrombose sollte man unbedingt nach einem Tumor als Ursache der Thombose fahnden, da man zu diesem Zeitpunkt möglicherweise den Tumor noch entfernen kann.
Beinvenenthrombose bei schwangeren Patientinnen und nach der Geburt.
Die tiefe Beinvenenthrombose mit der Lungenembolie ist eine der häufigsten Todesursachen. Die Beschwerden sind oft uncharakteristisch. die Bestimmung des D-Dimers durch die Schwangerschaft verändert. Die sonographische Untersuchung der Becken-Beinvenen muss möglicherweise mit MRT Untersuchung kombiniert werden.
Rezidivthrombose – Zweitthrombose
Die Rezidivthrombose zu erkennen ist schwieriger, da die Venenveränderungen sich in der Ultraschalluntersuchung oft nicht unterscheiden. Die Beschwerden sind oft unklar und helfen nicht weiter. Daher sollte man sobald man die Sekundärprophylaxe (Gabe von Substanzen, die das erneute Auftreten einer Thrombose verhindern) beendet, den Venenstatus mit Ultraschall dokumentieren.
Neben einer Bestimmung von D-Dimeren werden Verlaufsuntersuchung hilfreich sein, da man durch Veränderungen in dem Befund eine akute von einer sekundäeren Venenthrombose unterscheiden kann.
Beinvenenvenenthrombose – wie wird sie behandelt?
Ziel der Behandlung der tiefen Beinvenenthrombose (Antikoagulation)Im Wesentlichen geht es um drei Ziele:
- Vermeidung einer Lungenembolie bzw. Embolie eines Thrombus in den Kreislauf (bei offenem Foramen ovale im Herz)
- Vermeidung einer Zunahme der Größe des Thrombus
- Unterstützung der Thrombusauflösung (Fibrinolyse)
- Vermeidung des postthrombotischen Syndroms (einer gefürchteten Langzeitkomplikation nach Beinvenenthrombose)
Beginn der Behandlung sofort bei Sicherung der Diagnose bzw. hoher Wahrscheinlichkeit einer tiefen Beinvenenthrombose.
Primäre Behandlung mit einem niedermolekularen Heparin (NMH), Fondaparinux oder Rivaroxaban:
- Certoparin (Monoembolex)
- Dalteparin (Fragmin)
- Enoxaparin (Clexane)
- Nadroparin (Fraxiparin, Fraxodi, Fraxiforte)
- Tinzoparin (Innohep)
- Fondaparinux (Arixtra)
- Rivaroxaban (Xarelto)
Die Therapie mit NMH erfolgt 1-2 x täglich körpergewichtsbezogen oder in fixer Dosierung.
Selten tritt bei der Behandlung mit NMH eine Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) Typ II auf. Diese würde sich durch Thrombozytenabfall und erneutem Gefässverschluss bemerkbar machen.
Fondaparinux hat diese Nebenwirkung noch seltener, sodass hier Thrombozytenbestimmung nicht regelmäßig empfohlen wird.
Bei Kontraindikation für eine Behandlung mit NMH kann auf Fondaparinux zurückgegriffen werden.
Neue orale Antikoagulanzien (NOAK)
Rivaroxaban (Xarelto) hat den Vorteil dass es sowohl zur Initialtherapie als auch zur Sekundärprophylaxe gegeben werden kann.
Labormonitoring ist in der Regel bisher nicht erforderlich; eine Anpassung der Dosis ist nicht erforderlich.
Empfehlenswert ist die Einnahme zum Essen.
Niereninsuffizienz – Dosisanpassung
Niedermolekulare Heparine, Fondaparinux (komplett über die Niere) und Rivaroxaban (zu 1/3) werden unterschiedlich über die Nieren ausgeschieden.
Im Falle einer Ausscheidungsschwäche der Niere (Kreatininclearancebestimmung) muss die Dosis entsprechend angepasst werden.
Je geringer das Molekulargewicht, desto mehr wird über die Niere ausgeschieden und desto mehr wächst die Gefahr, dass die Substanz nicht mehr ausreichend über die Niere ausgeschieden werden kann (Akkumulation).
Thrombektomie – Thrombolyse
Mit Thrombektomie (operative Thrombusentfernung aus dem eröffneten Gefäß), Thrombolyse (Auflösung des Thrombus durch Fibrinolyse), katheter-gestützte pharmakomechanischer Thrombektomie will man das postthrombotische Syndrom (PTS) und seine Folgen verhindern.
Diese Behandlung macht nur Sinn in spezialisierten Zentren bei jungen Patienten, die kurz an einer Thrombose im tiefen Beckenbeinvenenbereich (V. iliaca, V. femoralis) erkrankt sind.
Sekundärprophylaxe
Ziel einer Langzeitkoagulation (Sekundärprophylaxe) ist die Förderung der Rekanalisierung (Wiedereröffnen) der verschlossenen Venen, Förderung der Auflösung des Blutgerinnsels (Thrombus) und Vermeidung eines erneuten Verschlusses (Rezidiv).
Die Sekundärprophylaxe kann durch die Gabe von Vitamin-K-Antagonisten (Markumar, Warfarin), niedermolekulare Heparine, und Rivaroxaban erfolgen.
Bisher wurde zunächst niedermolekulares Heparin verabreicht, parallel dazu erfolgte die Gabe von Markumar, bis Erreichen eines INR (international normalized ratio) über 2,0 für mehr als 24 Stunden.
Nun kann bei primärer Gabe von Rivaroxaban auch die Sekundärprophylaxe damit fortgesetzt werden.
Der Zielbereich der Sekundärprophylaxe ist ein INR von 2-3.
Behandlungsdauer
Die Behandlungsdauer der Sekundärprophylaxe richtet sich nach der Entstehungsursache (idiopathisch oder sekundär), ob es sich um ein Erstereignis oder ein Rezidiv handelt, und ob es anhaltende schwere Risikofaktoren wie Tumorerkrankung, Thrombophilie (erbliche Gerinnungsstörung) unter Berücksichtigung des Blutungsrisikos gibt.
Beispiele für Behandlungsdauer:
– Isolierte Unterschenkelvenenthrombose – 3 Monate
– Beckenbeinvenenthrombose z.B. nach einer Operation – 3-12 Monate
– idipathische (ohne erkennbare Ursache) Beckenbeinvenenthrombose – mindestens 3 Monate mit Abklärung einer weiteren Therapie je Thrombose- und Blutungsrisiko
Hinsichtlich der Unterschenkel- und Muskelvenenthrombose im Unterschenkel sind die Empfehlungen uneinheitlich. Hier wird die Entscheidung welche Therapie und wie lange durch die Ergebnisse der Verlaufskontrollen zu fällen sein.
Prognostisch günstig ist eine schnelle Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes, Normalisierung der D-Dimer Werte und die Qualität der Antikoagulation.
Es wird derzeit nicht mehr gefordert, dass bei erneutem Auftreten einer Venenthrombose bei entsprechenden Risiken über 6 Monate hinaus behandelt werden muss.
Kontraindikation gegen die Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten:
– große Blutung
– hohes Blutungsrisiko
– Ulcus im Magendarmbereich (Geschwür)
Kompressionstherapie
Die Kompressionsbehandlung kann durch einen Kompressionsverband oder einen angepassten Kompressionstrumpf erfolgen.
Sie hat zum Ziel die Häufigkeit und Schwere des postthrombotischen Syndroms zu verringern.
Ein richtig durchgeführte Kompressionsbehandlung bewirkt eine Reduktion des Auftretens des postthrombotischen Syndroms um die Hälfte.
Die Dauer der Kompressionsbehandlung richtet sich nach dem Ergebnis der Kontrolluntersuchungen (optimal sind alle 3-6 Monate) – bei weiteren Venenfunktionsstörungen sollte die Behandlung fortgesetzt werden
Bei einem beweglichen Patienten ohne schwere Begleiterkrankung wird heute die Behandlung ambulant durchgeführt.